Mit Waiting For You hatte ich bereits eine Platte unter Beteiligung zweier der auf dieser neuen Platte anwesenden Musiker vorgestellt. Anstelle von Marcel Papaux ist nun Marco Zanoli am Schlagzeug zu hören. Alles, was ich zur Musik der Doppel-CD aus dem letzten Jahr schrieb, trifft im Grunde genommen auch für diese neue Produktion zu – zumindest, was die erste CD des Vorgängers betrifft.
Mit „Toujours Avec Nous“ startet es mit Musik, die einfach nur schwebend und gleichzeitig suchend ist. Auch Zanoli gestaltet in etwa so, wie es oft von Paul Motian bekannt war. Der leicht schnarrende und ausfüllend agierende Bass schafft verbindende Elemente, so wie es in einem solchen Trio sein sollte. Darüber kann sich Hellmüller ‚austoben‘, kann seine Vorstellungen von Solo- und Ensemblemusik offensichtlich verwirklichen, klingt doch eine große Portion entspannter Atmosphäre aus der Musik. Gestrichener Bass und eine Gitarre mit Anklängen an die klassische Spielweise der E-Musik, dezente und punktierte Arbeit mit den Becken – schon suchen sich die Klänge mit dem zweiten Titel eine etwas andere Richtung.
Auf „Il Gigante Dai Piedi Di Argilla“ klingt es sehr lyrisch und eigentlich noch schwebender. Die Musik wirkt sehr verträumt, fast schon entrückt, als wäre die Zeit aufgehoben oder hätte sich verlangsamt. Ein tranceartiger Sound entsteht, der fast schon noch mehr nach ECM klingt als jenes berühmte Münchner Plattenlabel selbst. Jedenfalls ist dies ein Album, dessen Musik dort auf dem Label auch gut einzufügen wäre in das Programm.
Einige der Stücke wirken dergestalt, dass ich annehme, dass bei manch einem der Begriff Langeweile schnell in den Mund genommen werden könnte. Doch nur scheinbar ist diese Musik zum Nebenbeihören geeignet, denn fährt man einen oder mehrere Gänge zurück und ‚entschleunigt‘ sich erst einmal, dann kann man auch bereit sein, alles andere erst einmal beiseite zu legen und nur noch zuzuhören. Bei einigen mag dann vielleicht so etwas wie Unruhe aufkommen, aber ich sehe es so, dass diese Musik Zeit benötigt. Zeit, um sich entfalten zu können – Muße ist das Stichwort. In einem Beitrag einer Alexandra Graßler las ich jüngst hierzu:
»Wenn unser Geist unter Strom steht, ist kein Raum für bunte Gedanken. Doch diese brauchen wir, wenn wir kreativ sein wollen. Unser innerer Bilderspeicher kann uns nur etwas zur Verfügung stellen, wenn er gefüllt ist. Und um ihn zu füllen, brauchen wir Zeit für Muße. Zeit zum Gucken.«
Hier also kommt noch die ‚Zeit zum Hören‘ hinzu. So genieße ich perlende Gitarrenläufe, die zwischen Ruhe und Ausbruch polarisieren, Einflüsse aus Jazz und Rock zulassen, Atmosphäre und Raum schaffen. Dabei herrscht musikalische Gleichberechtigung, aber dennoch ist es die Gitarre, die stets vordergründig klingt, erscheint sie doch allgegenwärtig. Musik entwickelt sich, es scheint keine festen Themen im herkömmlichem Sinn zu geben, sondern eigentlich herrscht durchgehend freie Improvisation, ohne dass es Free Jazz ist. Das sind schöne Klangschöpfungen, das ist Kammerjazz, ohne gleich zu verkopft zu wirken. Zusammengefasst gesehen also ganz einfach schöne Musik.
Line-up:
Franz Hellmüller (guitar)
Stefano Risso (double bass)
Marco Zanoli (drums)
– 15.04.2014
– Wolfgang Giese